Offener Brief an die Theodor Heuss Schule Reutlingen

Gegen Soldaten als Lehrkräfte, für zivilen Unterricht!

Sehr geehrte Schulleitung, Lehrer_innen und SMV der Theodor Heuss Schule Reutlingen, wir ersparen uns und Ihnen das übliche „mit Entsetzen mussten wir feststellen, dass …“, denn Entsetzen impliziert eine gebrochene Erwartungshaltung. Leider haben Sie aber genau unsere Erwartungen erfüllt und waren niemals zu einem Gespräch bereit, weswegen wir das Thema nun in die Öffentlichkeit tragen.

Erfahrung ist eben doch manchmal etwas wert, denn bereits im Konflikt mit der Ferdinand von Steinbeis Schule Reutlingen und der Kerschensteiner Schule Reutlingen wurde, von Seiten der Schulleitung aus, nicht etwa mit Argumenten, sondern wie bei Ihnen mit einer Wand aus Totschweigen und falschen Versprechungen agiert.

Wie dem auch sei. Wir haben mitbekommen, dass am 27.09.2012 Jugendoffiziere der Bundeswehr an Ihrer Schule reguläre Unterrichtszeit (die 8. Stunde ab 13:30 Uhr) zur Verfügung gestellt bekommen, um für sich zu werben. Wir halten dies für falsch und unverantwortlich. Das hat folgende Gründe:

Die Bundeswehr als Militär ist nicht Bestandteil, sondern der Gegenpol zur Zivilgesellschaft. Wie kann es nun sein, dass an einer zivilen Schule Unterricht durch Soldaten gestaltet werden kann/darf/soll?

Die Bundeswehr ist in erster Linie nämlich nicht daran interessiert, Krieg so kontrovers wie möglich zu „unterrichten“, sondern (durch die Aussetzung der Wehrpflicht) daran, neue Soldaten zu gewinnen. Dafür ist es aber mehr als abträglich, auch die überwiegend negativen Aspekte eines Soldatenlebens zu beleuchten (wie z.B. das Abtreten wichtiger Grundrechte, der unbedingte Gehorsam, das hohe Risiko für das eigene Leben, eventuelle Traumata, usw.). Stattdessen wird von Seiten der BW das Soldatenleben als „cooles Abenteuer“ dargestellt (siehe Werbespot zum „BW Adventure Camp“). Es wird versucht Krieg als „Notwendigkeit“ (Sprich: Bellizismus) in der Gesellschaft zu etablieren und gleichzeitig die Bundeswehr als „gewöhnlichen Arbeitgeber“ und Arbeitsplatz mit Zukunft darzustellen (siehe Slogan „Bundeswehr – Karriere mit Zukunft!“).

Gerade der Slogan „Bundeswehr – Karriere mit Zukunft“ ist in doppeltem Sinne zynisch. Soll er uns vermitteln, dass die Bundeswehr bzw. die BRD eine Zukunft mit viel Krieg und Waffengewalt anstrebt und ich mir als Soldat deswegen keine Sorgen um meinen Beruf machen muss? Oder soll das bedeuten, dass das Soldatentum ein, für meine Gesundheit, sicherer Beruf ist (was einfach nicht stimmt!)?

Dass die Bundeswehr das gleiche Recht zu Werben hat wie jede andere Firma, würde dann stimmen, wenn sie wie jede andere Firma wäre. Das ist sie aber nicht. Sie ist eine autoritäre Institution zur Kriegsführung und hat sich auch als solche zu präsentieren. Das ist weder eine „Bildung zum Friedensbewusstsein“ wie es die UN Richtlinien vorsehen, noch ist es im Sinne des Beutelsbacher Konsens‘ der ganz klar eine kontroverse, also nicht-einseitige Darstellung von in der Gesellschaft kontrovers diskutierten Themen wie z.B. der Bundeswehr fordert.

Wenn also überhaupt über die Bundeswehr als potentiellen Arbeitgeber unterrichtet werden soll, dann sollte dies durch neutrale Lehrer_innen geschehen und nicht durch die Soldaten selbst. Letzteres hat denselben Charakter, als wenn die NPD den Unterricht zum zweiten Weltkrieg gestalten dürfte.

Mit freundlichen Grüßen
Galerie Zelle e.V.
Träger außerschulischer Jugendbildung – Reutlingen

Offener Brief an THS – Gegen Soldaten als Lehrkräfte_v3